Tagung "Gemeinsame Sache – Was eine Gesellschaft zusammenhält"

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Tagung "Gemeinsame Sache – Was eine Gesellschaft zusammenhält"

11.2018
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Linz (Oberösterreich)

Die Tagung "Gemeinsame Sache. Was eine Gesellschaft zusammenhält", die am 15. November 2018 im Wissensturm in Linz abgehalten wurde, beschäftigte sich mit der Frage, welche Voraussetzungen es für eine funktionierende Gesellschaft braucht. Die Teilnehmer_innen diskutierten, was eine Gesellschaft verbindet und welchen Beitrag Erwachsenenbildung dabei leisten kann. Welche Werte, Konventionen und Einstellungen halten Gesellschaften zusammen? Und wo liegen die Herausforderungen? Diese und andere Fragen standen im Zentrum der Veranstaltung.

Die europäischen Gesellschaften werden seit den Fluchtbewegungen im Jahr 2015 vor neue Herausforderungen gestellt. Positive Erfahrungen im Umgang mit Flüchtlingen und Fluchtbewegungen kommen in den öffentlichen Diskursen kaum vor, die Ursachen der Fluchtbewegungen werden ausgeblendet und andere Gründe für markante Veränderungen der Gesellschaft wird zu wenig Bezug genommen. Von manchen Seiten wird betont, dass Geflüchtete die österreichische Kultur und Identität bedrohen. Der teilweise einseitig geführte Diskurs über Flucht und Fluchtbewegungen verdeckt Problemfelder wie den zunehmenden Nationalismus oder den Abbau des Sozialstaates.

Was eine Gesellschaft zusammenhält!

Was sind jedoch die Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Gesellschaft und welche Werte, Konventionen und Einstellungen halten Gesellschaften tatsächlich zusammen? Wer bestimmt, welche Kriterien dabei in den Fokus geraten und welche kaum Beachtung finden? Sind es wirklich die Geflüchteten, die das Miteinander bedrohen? Oder liegen die Herausforderungen ganz woanders und wovon lenkt die Debatte ab? Im Rahmen der Tagung an der Volkshochschule Linz diskutierten mehr als 70 Erwachsenenbildner_innen, Politiker_innen und andere Interessierte darüber, was unsere Gesellschaft verbindet bzw. verbinden kann und welchen Beitrag die Erwachsenenbildung zum konstruktiven Miteinander leisten kann.

Harte Verhandlungen. Ist Wertepluralität eine Bedrohung für die Demokratie?

Den Einleitungsvortrag hielt der Migrationsexperte Mark TERKESSIDIS. In seinem Beitrag thematisierte er Wertepluralität, die fast immer mit Einwanderung in Verbindung gebracht wird, obwohl es schon zuvor einen massiven Wertewandel gab und die schwerwiegenden Konflikte über Werte zumeist nichts mit Migration zu tun haben (Abtreibung, Familie etc.). Tatsächlich finden sich bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund die gleichen Milieus wie in der Gesamtbevölkerung. Dabei leiten sich Werte keineswegs nur von nationaler und ethnischer Herkunft ab, sondern entstehen in einer komplizierten Gemengelage zwischen Ungleichheit und Diskriminierung. Wertepluralität ist für eine Demokratie normal und es stellt sich die Frage, warum sie eine Bedrohung darstellen sollte. Die Debatte über wertbasierte Leitkultur, die vor der Geltung des Gesetzes eingehalten werden muss, geht von einer Bedrohung aus, die so nicht vorliegt. Zur Stärkung der Demokratie muss in einer Gesellschaft der Vielheit der gesellschaftliche Zusammenhalt durch verstärkte Kollaboration, also Zusammenarbeit, aktiv hergestellt werden.

Nach einer intensiven Diskussion des Beitrages von Mark TERKESSIDIS wurde in Workshops und Kleingruppen weiter diskutiert. Elisabeth FEIGL und Lena SEEWAN leiteten einen Workshop zum Thema: "Werte zwischen Vielfalt und Konsens?". Im Rahmen dessen wurde eine aktuelle interdisziplinäre Wertestudie der Universität Wien vorgestellt. In Folge diskutierten die Teilnehmer_innen, was unter Werten verstanden werden kann, wie die Wertevielfalt das Zusammenleben in Europa prägt, und wie der Anspruch eines sozial ausgewogenen Miteinanders durch intendierte Wertebildung unterstützt werden kann.

Thomas FRITZ stellte in seinem Workshop "Ablenkung und Renationalisierung" die Frage, ob es denn wirklich so ist, dass "wir" Zuwander_innen die österreichischen bzw. europäischen Werte vermitteln müssen? Und was sind diese überhaupt? Oder lenkt die so genannte "Wertedebatte" von sozialen Problemen ab?

Was kann Erwachsenenbildung zur gesellschaftlichen Kohäsion beitragen?

In einem abschließenden Beitrag thematisierte die Bildungswissenschaftlerin Annette SPRUNG "Ansätze und Spannungsfelder" und die möglichen Antworten der Erwachsenenbildung auf gesellschaftliche Desintegrationsprozesse. Diese Antworten fallen – je nach zugrundeliegender Problemdiagnose – sehr unterschiedlich aus. Sie reichen von zielgruppenspezifischen Inklusionsprogrammen für benachteiligte Gruppen bis hin zu diversen Formaten der politischen Bildung, die unter anderem mit Schlagworten wie, "active (global... inclusive...) citizenship" einhergehen. Mit dem Vortrag wurden internationale Diskurse und Ansätze der Erwachsenenbildung zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts kritisch diskutiert. Neben organisierten Bildungssettings wurde dabei auch das Potenzial zivilgesellschaftlichen Engagements für einschlägige informelle Lernprozesse in den Blick genommen.

Quelle

Beitrag von Stefan Vater im VHS-Magazin: https://magazin.vhs.or.at/magazin/2018-2/266-winter-201819/bildungsthemen/gemeinsame-sache-was-eine-gesellschaft-zusammenhaelt/

Dokumentation