Warum beteilige ich mich an der Volkshochschularbeit?

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Author/Authoress:

Jodl, Friedrich

Title: Warum beteilige ich mich an der Volkshochschularbeit?
Year: 1910
Source:

Zentralblatt für Volksbildungswesen, 11. Jg., H. 1 u. 2 (15. Januar 1911), S. 27.

[S. 27] „Die Volksbildung“ (Organ der Gesellschaft für Verbreitung der Volksbildung, Berlin) hat an eine grosse Anzahl von Personen aller Berufsstände, die auf dem Gebiete des Volksbildungswesens tätig sind, obige Frage gerichtet. Die zahlreichen Antworten wurden in Nr. 8 und 9 der „Volksbildung“ mitgeteilt, und wir folgen gerne der Aufforderung des Herrn Generalsekretärs J. Tews, einige der Antworten unseren Lesern zur Kenntnis zu bringen.

„Warum wir Volksbildungsarbeit treiben müssen? Auf diese Frage möchte ich als akademischer Lehrer folgendes sagen: Wir müssen uns für volksbildnerische Aufgaben interessieren aus drei Gründen: um der politischen Entwicklung willen, um der Wissenschaft willen, um des Volkes selbst willen.

Um der politischen Entwicklung willen: weil alles Heil der Zukunft darauf beruht, dass immer weitere Volkskreise Anteil am politischen Leben und Einfluss auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gewinnen; und weil dieser Einfluss nur dann segensreich sein kann, wenn die Masse bis zu einem gewissen Grade geschult, erzogen, gebildet und zu Verständnis für die feineren Zusammenhänge und höheren Aufgaben des Lebens gebracht ist. Wer an den Sieg der Demokratie glaubt und ihn wünscht, muss für Volksbildung arbeiten: denn ohne sie ist jede Demokratie nur Pöbelherrschaft.

Um der Wissenschaft willen: weil es gegen die Einwirkung der kulturhemmenden Mächte – zu diesen gehören nicht nur Feudalismus und Kirchentum, sondern auch eine ungebildete oder bildungsfeindliche Demokratie, keinen anderen und keinen besseren Schutz gibt – als wenn die Überzeugung von dem unersetzlichen Wert der Wissenschaft in den weitesten Kreisen verbreitet ist, als wenn ein Volk gelernt hat, seine geistigen Güter und deren Erzeuger ebenso hoch, ja höher zu bewerten, als alle anderen wirtschaftlichen Leistungen und jeden Versuch der Verkümmerung oder Hemmung der geistigen Freiheit mit derselben Energie zurückweist, wie einen Angriff auf seine politische Freiheit.

Um des Volkes selbst willen: weil durch Bildung und Bildungswerte, die allen zugänglich werden, auch in dem Leben der Ärmsten Freuden und Genüsse erstehen, welche weder sie noch die Gesellschaft in erheblicher Weise ökonomisch belasten, und welche vermöge ihrer geistigen Natur nicht nur die Schwere des Daseins erleichtern, sondern auch den roheren Mitteln der Belustigung und Betäubung (insbesondere dem Alkohol, der Schaulust und der Schmutzliteratur) entgegenwirken und dadurch sowohl direkt als indirekt von veredelndem Einflusse sind.“

Wien, im März 1910.

(Wortwahl, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen dem Original. Die im Original durch Sperrung hervorgehobenen Wörter wurden kursiv gesetzt. In eckigen Klammern steht die Zahl der jeweiligen Seite des Originaltextes. Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt.)

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