Vom Bau eines Kursprogrammes

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Author/Authoress:

Grau, Herbert

Title: Vom Bau eines Kursprogrammes
Year: 1960
Source:

Die Österreichische Volkshochschule, H. 38, Oktober 1960, S. 9-11.

[S. 9] A. Das Kursprogramm – der Arbeitsplan – einer Volkshochschule ist deren Visitkarte, Hauptwerbemittel und Arbeitsgrundlage.

1. lm Kursprogramm verrät sich der Charakter einer Volkshochschule. Dieser Charakter ist einerseits durch die örtlichen Arbeitsbedingungen und durch die Vorstellungen des Leiters bestimmt, anderseits aber durch die allgemeingültigen Vorstellungen vom Wesen einer Volkshochschule überhaupt. Die grundsätzlichen Wesenszüge müssen die individuellen Eigenheiten überschichten.

a) Eine klare Vorstellung vom Charakter einer Volkshochschule ergibt sich durch Abgrenzung gegenüber anderen Bildungs- und Kultureinrichtungen und durch Selbstverständnis.

Abgrenzung: Eine Volkshochschule ist kein bloßer Veranstaltungsbetrieb (nach dem Muster einer Konzertdirektion), kein Kulturamt, keine überlokale Vermittlungsstelle, kein Werkzeug einer abgeschlossenen Gruppe oder einseitiger Interessen, kein Steckenpferd eines einzelnen.

Selbstverständnis: Die Volkshochschule ist eine Bildungseinrichtung: sie führt die Menschen in ihrem Verständnis ihrer selbst, ihrer Mitmenschen und der Umwelt über den jeweiligen Stand hinaus. Sie vereinigt verschiedene Menschen mit verschiedenen Interessen und verschiedenen Stufen der Vorbildung unter einem Dach. Trotz der Vielfalt ihrer Veranstaltungen ist sie doch von einem durchgehenden Konzept bestimmt. Den Kern jeder Volkshochschule bildet eine Mehrheit verschiedener Kurse (Gruppen), die durch längere Zeit systematisch die Erreichung eines bestimmten Bildungszieles anstreben; die Kurse haben eine feste Teilnehmerschaft, weshalb eine Volkshochschule nur eine Einrichtung an einem Ort sein kann.

b) Außenstehende und Teilnehmer gewinnen von der Volkshochschule ein klares Bild, wenn diese eine Ganzheit am Ort darstellt und sich durch Kontinuität ihrer Arbeit und ihres Charakters auszeichnet.

Ganzheit: Eine Volkshochschule ist keine willkürliche Kombination von Einzelkursen; die Einzelkurse ordnen sich der Volkshochschule ein. Die Teilnehmer sollten sogen: „Ich besuche die VHS“,– weniger: „Ich besuche ‚einen‛ Kurs für XY.“ Die Idee der lebenslangen Weiterbildung steht über der der Spezialisierung auf nur einem Gebiet. Die einzelnen Veranstaltungen einer Volkshochschule sind aufeinander abgestimmt: thematisch, methodisch, zeitlich, aber auch nach der Einstellung der einzelnen Kursleiter. Gemeinsame, auch gesellige Veranstaltungen verschiedener Gruppen fördern den inneren Zusammenhalt der Volkshochschule.

Kontinuität: Eine Volkshochschule besteht an einem Ort durch längere Zeit; ihre Existenz ist unabhängig vom Zustandekommen einzelner Kurse. Kleinere Volkshochschulen können das Mißgeschick haben, daß sich in einem Semester zu wenig Interessenten melden: das Konzept und die Planung dauern aber trotzdem an, die Interessenten wissen, daß sie wiederkommen können. – Bildung ist geistige Vervollkommnung. Es sollen sich daher die Teilnehmer eines Kurses auch in weiteren Semestern zu noch größerer Vervollkommnung und Vertiefung wiedertreffen. – Gleichwertig neben der Vertiefung auf einem Gebiet steht die Anregung zu neuen Interessen; das „gemeinsame Dach“ für Verschiedenes ist daher kein Nachteil der Volkshochschule, sondern ein Prinzip. – Die Kontinuität der Arbeit verankert und klärt in den Teilnehmern die Vorstellung von „ihrer“ Volkshochschule, zu der sie mit den verschiedensten Anliegen um Bildungshilfe kommen können.

2. Die durch Ganzheit und Kontinuität geklärte Vorstellung von der Volkshochschule ist das beste Werbemittel. Die Bewohner eines Ortes beginnen von „der“ Volkshochschule zu sprechen. Das Vertrauen muß durch das Programm belohnt werden; es muß das bieten, was man sich von der Volkshochschule erwartet: sie ist für alle offen, sie verbindet die Menschen verschiedener Interessen und Ansichten; sie ist stets bereit, auf Fragen zu antworten, sich auf bestehende Anliegen einzustellen und neue Bildungsmöglichkeiten zu bieten. Die geklärte Vorstellung von der Volkshochschule erleichtert und verstärkt die wirksamste Werbung: die Mundwerbung und Empfehlung.

3. Das Kursprogramm ist die jeweils mögliche Realisierung der Vorstellung der Leitung von Charakter und Aufgabe einer Volkshochschule: es ist das Ergebnis gründlicher Überlegungen, aber auch eine Arbeitsgrundlage für die weitere Arbeit. Verbesserungen innerhalb des Arbeitskonzeptes sind immer notwendig: die Freiheit der Volkshochschule ermöglicht ihr einen ständigen Ausbau. Die Arbeitsgrundlage behütet uns aber auch vor Gefahren: vor der Gefahr der Zufälligkeit, der Zerrissenheit und der Verwirrung. Sie schützt uns vor der Flut der zufälligen Vortragsangebote und gestattet uns eine systematische Auswahl nach lnhalt und Qualität. Sie verhindert den Auseinanderfall der verschiedenen Kurse und Veranstaltungen und erleichtert die Koordinierung. Sie bewahrt uns vor einem planlosen Herumspringen in der Programmgestaltung und mahnt uns zum Aufbau auf den vorhandenen und selbstgeschaffenen Grundlagen. So wird das Kursprogramm zu einem Arbeitsmaßstab für den Leiter. Dieser Maßstab soll – da er gründlich überlegt ist – gleichbleiben; der einzige zu rechtfertigende Mißerfolg ergibt sich aus der Unberechenbarkeit der freiwillig kommenden Interessenten.

B. Das Kursprogramm einer örtlichen Volkshochschule ist das Ergebnis grundsätzlicher Überlegungen und realer Erfahrungen. Idealvorstellungen ohne Berücksichtigung der Wirklichkeit führen zu Mißerfolgen und zur pessimistischen Aufgabe; das bloß empirische „Versuchen und Irren“ erschwert die Arbeit, da Leiter und Interessenten kein klares Bild von ihrer Aufgabe entwickeln können.

1. Grundlage für jede Programmplanung sind die realen Möglichkeiten am Ort. Sie müssen dem Leiter einer Volkshochschule bekannt sein: die verfügbaren Geldmittel, Lehrer, Räume, Geräte, außerdem Kreis und Zahl der möglichen Teilnehmer. Dabei kann auch an die Nachbarorte gedacht werden, doch ist der Kreis, der noch zu Fuß die Veranstaltungen erreichen kann, die gesündeste Planungsgrundlage. Zusätzliche Teilnehmer sind als erfreulicher Gewinn zu betrachten. Als erstrebenswerter Prozentsatz der Gesamteinwohnerzahl sind etwa 5% anzusehen. In Orten mit starker sozialer Bindung läßt sich leichter dieser oder ein höherer Prozentsatz erreichen als in Orten ohne diese Bindungen, z. B. in Großstädten. Ein kleiner Anfang mit verhältnismäßig vielen Erfolgen wirkt anziehender als ein zu großes Konzept mit zahlreichen Absagen. Es ist das Streben des Leiters, alle realen Möglichkeiten ständig auszuweiten.

2. Die festeste Grundlage für ein Volkshochschulprogramm sind die am Ort vorhandenen Interessen. Erkundungen mit Fragebogen haben sich nicht immer bewährt, da viele Menschen keine klare Vorstellung ihrer Interessen und der Möglichkeiten der Volkshochschule haben. Der Weg der bloßen Wunscherfüllung führt auch leicht zu einer Verwässerung des Bildungskonzeptes – des Auftrages – der Volkshochschule. Kurse im Dienst praktischer Berufsinteressen und der wachsenden Freizeitanliegen, auch Veranstaltungen, [S. 10] die auf unmittelbare Fragen und aktuelle Probleme Antwort geben, bilden einen festen Kern des Programmes. Dennoch soll die Volkshochschule nicht nur auf „Nummer sicher“ gehen, sondern muß ständig bestrebt sein, neue Interessen zu wecken und Experimente wagen. Ein einmaliges Angebot genügt oft nicht; ein einmaliges, auch oft mehrmaliges Angebot ohne Erfolg darf nicht gleich zur Aufgabe führen, oft hat die wiederholte Ankündigung ganz plötzlich und überraschend einen vollen Kurs gebracht; Anderseits zeigt sich, daß ein Kurs, der durch mehrere Semester immer genügend Interessenten gefunden hat, plötzlich leer ausgeht: mehrsemestrige Pausen helfen, eine neue Interessentenschaft aufzustauen. (Es ist eine der schwierigsten Aufgaben des Volkshochschulleiters, dem enttäuschten Kursleiter diese Notwendigkeit klar zu machen.)

3. Die Richtlinien des leitenden Gremiums schränken die Freiheit des Leiters nicht ein, sie sind eine soziale Gegebenheit. Sie geben den Rahmen für die Arbeit, die Verwirklichung der Einzelheiten liegt beim Leiter. Es ist aber auch dessen Pflicht, sich gegen Verfälschungen des Volkshochschulkonzeptes und Eingriffe in seine verantwortungsbewußte Arbeit zu wehren. Je initiativer und erfolgreicher der Leiter, je klarer seine Vorstellung von den Aufgaben der Volkshochschule ist, umso mehr Freiheit genießt er.

4. Volkshochschulleiter und Mitarbeiter bleiben nicht in der Praxis stecken, sie bemühen sich auch um eine klare Zielvorstellung ihrer Arbeit. Die Beschäftigung mit der Theorie der Erwachsenenbildung – durch Lektüre der einschlägigen Literatur und Teilnahme an überlokalen und lokalen Seminaren – klärt die Vorstellung von einer Volkshochschule im allgemeinen und der Volkshochschule am Ort im Konkreten, ermöglicht aber auch ein einheitliches Auftreten aller Mitarbeiter und eine gemeinsame Planung des Programmes und hilft bei der Abwehr ungeeigneter Vortragender und Themen. Die Theorie der Erwachsenenbildung ist noch nicht abgeschlossen, sie stellt daher jedem Erwachsenenbildner ständig eine Aufgabe. Der Erfahrungsaustausch mit den Kollegen an anderen Orten und das Studium der Kursprogramme anderer Volkshochschulen erleichtern die Überlegungen.

5. Die Volkshochschule fühlt sich wie jede Schule dem Kulturerbe verpflichtet. Wenn sie auch keinen festen Lehrplan hat und ihr Programm lebens- und menschennäher gestaltet, so ist sie doch bestrebt, die inhaltlichen Möglichkeiten und Verpflichtungen zu erfüllen. Je größer eine Volkshochschule ist, um so leichter fällt es ihr, ihr Programm sachlich gleichzeitig abzurunden; je kleiner sie ist, um so notwendiger wird die Planung auf lange Frist: aus dem Nebeneinander der Kurse wird ein Nacheinander. Der Deutsche Volkshochschulverband ließ von seiner Pädagogischen Arbeitsstelle einen „Stoffgliederungsplan“ ausarbeiten, der Möglichkeiten und Stoffauftrag einer Volkshochschule umschreibt. Dieses Grundschema sei hier auszugsweise wiedergegeben:

a) Menschenkunde: Der menschliche Körper und seine Pflege – Das seelische und geistige Leben des Menschen – Das menschliche Geschlecht, seine Abstammung und seine Artungen – Die menschliche Gesellschaft – Wesen und Bedeutung des Menschen – Erziehung und Bildung des Menschen.

b) Natur und Leben: Naturwissenschaftliches Weltbild – Erdkunde, Erdgeschichte – Allgemeine Biologie – Pflanzenkunde – Tierkunde – Naturschutz.

c) Mathematik und mathematische Naturwissenschaft: Grundlagen der Mathematik, der mathematischen Naturwissenschaft und der Technik – Mathematische Disziplinen – Astronomie – Physik – Chemie – Mineralogie.

d) Das öffentliche Leben: Beruf, Wirtschaft, Recht, Staat: Berufskunde und Berufspraxis (Hauswirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Handwerk und Gewerbe, Betriebswirtschaft) – Politische Wissenschaften (Staats- und Gesellschaftstheorien, Gemeinde, Staat, Zwischenstaatliche Beziehungen, Volkswirtschaftslehre, Finanzpolitik, Sozial- und Bevölkerungspolitik, Wehrpolitik, Kulturpolitik) – Rechtslehre.

e) Das Reich der Kultur, des Geistes, der musischen Gestaltung: Geschichtswissenschaften, Volkskunde – Philosophie – Sprache, Literatur, Dichtung – Bildende Kunst, Kunsthandwerk – Musik – Gestaltende Bewegung in Tanz, Spiel, Sport – Theater – Unterhaltung, Hobby.

f) Die Welt des Glaubens: Religionswissenschaft – Nichtbiblische Religionen – Biblische Religionen.

g) Völker, Länder, Kulturen, Epochen: Heimatkunde – Untergegangene Kulturen und Völker – Die westliche Welt – Afrikanische Völker und Staaten – Asien, der Nahe Osten – der Ferne Osten – Ostblockländer und -staaten – Arktis, Antarktis.

h) Information, Publizistik, Massenmedien: Presse, Büchereiwesen – Film, Bild – Rundfunk – Dokumentation – Propaganda.

In der freiwilligen Erwachsenenbildung lassen sich nicht alle diese Gebiete gleichzeitig behandeln. Aber man kann in jedem Kurs auf wichtige Fragen zu sprechen kommen, wenn die Anregung richtig gegeben wird: es kommt nicht auf den Kurstitel an, sondern auf das, was in den Kursen geleistet wird. – Bei der Auswahl aus den vielen Möglichkeiten ist dem wahllosen Versuch die planmäßige Schwerpunktbildung vorzuziehen: durch allmähliche, oft langfristige Addierung der Schwerpunkte läßt sich das Programm, am leichtesten abrunden.

6. Fast so wichtig wie der lnhalt eines Kursprogrammes ist dessen innerer Aufbau: die Ordnung. Er soll Charakter und Zielsetzung der Volkshochschule andeuten. Es hat sich bewährt, die für eine Volkshochschule typischen und ihr am meisten am Herzen liegenden Themen an die Spitze und die sicheren, auf schon vorhandenen Interessen aufbauenden Veranstaltungen an den Schluß zu setzen. Ein bloßer Zeitstundenplan erweckt eher den Eindruck des Durcheinanders; er ist nur eine zusätzliche Orientierungshilfe. – Bei wenig Kursen empfiehlt sich eine durchlaufende Numerierung, bei vielen eine Kennzeichnung nach Großgruppen und einer Numerierung innerhalb dieser; sonst müssen bei Ausfall oder Hinzusetzung eines Kurses alle weiteren Nummern nachträglich geändert werden; außerdem wird durch gleichbleibende Kennzeichnung der Themengruppen der Vergleich durch die Semester (in der Statistik) erleichtert. – Die Gruppierung bei vielen Kursen kann folgendermaßen erfolgen: thematisch, methodisch, motivlich, nach Sozialgruppen, nach dem Ort (z. B. Zweigstellen). Kreuzverweise verdichten den inneren Zusammenhang.

7. Die einzelnen Veranstaltungen werden schon bei der Planung koordiniert, miteinander verbunden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten dieser Koordinierung. – Beherrscht ein Lehrer zwei Gebiete – z. B. ein theoretisches Fach und ein praktisches oder mehr unterhaltsames Gebiet –, so können durch zeitliche Hintereinanderlegung zweier Kurse unter demselben Lehrer über das Vertrauen zu diesem die Teilnehmer an einem „sicheren“ Kurs auch für ein schwierigeres Thema gewonnen werden; außerdem gewinnen Lehrer und Teilnehmer Zeit. – Vierzehntägliche oder monatliche Vortragsreihen können so geplant werden, daß die einzelnen Veranstaltungen abwechselnd am gleichen Wochentag, zur gleichen Stunde im gleichen Raum stattfinden und nach Möglichkeit auch von demselben Mitarbeiter betreut werden: die Gewöhnung an Zeit, Raum und Leiter öffnet den Weg sowohl zur Vertiefung als auch zur Ausweitung der Interessen. – Methodisch verschiedene Veranstaltungen über dasselbe Thema lassen sich verbinden: ein Einzelvortrag läßt sich in einen bestehenden Kurs einbauen, wodurch die Teilnehmer mit neuen Gedanken bekannt gemacht werden, aber auch der Kurs neue Teilnehmer gewinnen kann; Vorbereitung auf den Vortrag und seine Auswertung werden dadurch möglich. Ein allgemein zugänglicher Einzelvortrag kann der Beginn einer intensiver arbeitenden Gruppe werden, wenn die Möglichkeit zu einer solchen sofort angekündigt wird: mit Leiter, Zeit und Ort der Zusammenkünfte. – Bei einer überschaubaren Teilnehmerschaft stellen sich bald bestimmte Interessenkombinationen – z. B. zwischen Heimatkunde und Kunstgeschichte – heraus: Kollisionen innerhalb dieser Kombinationen werden bei der Planung vermieden.

8. Die Arbeit der Volkshochschule wird vom Gedanken eines ständigen Aufbaus bestimmt. In den Rahmen [S. 11] dieser Aufgabe fällt die Ausweitung der Interessen: diese erfolgt einerseits, wenn der Kursleiter dazu bereit und dem Gedanken der Erwachsenenbildung verbunden ist, innerhalb der einzelnen Kurse durch Anregung von Aussprachen über benachbarte oder aktuelle Fragen, anderseits unter dem gemeinsamen Dach der Volkshochschule durch gleichzeitiges Angebot verschiedener Möglichkeiten oder durch die Interessierung bestehender Gruppen für neue Themen im nächsten Semester. – Der Vertiefung des Wissens aus einem bestimmten Gebiet dient die Fortsetzung eines Kurses durch mehrere Semester. Die Bezeichnung eines Kurses im Kursprogramm als „Fortsetzung“ kann neue Interessenten abschrecken; unter der Bedingung, daß der Kursleiter die Fortsetzung auch für neue Teilnehmer voraussetzungslos gestalten kann, wird auf diese Kennzeichnung verzichtet, doch kündigt der Kursleiter im bestehenden Kurs die Fortsetzung im kommenden Semester zur gleichen Zeit am gleichen Ort an. Diese Kontinuität zeigt sich auch in der Wiederholung des Ober- oder Untertitels im Programm. – Bei Lernkursen, deren Erfolg weitgehend von der gleichen Vorbildung der Teilnehmer abhängt, ist die Kennzeichnung nach Könnensstufen unvermeidlich. Laufen mehrere Lernkurse aus demselben Gebiet gleichzeitig, so ist eine weitgehende Vereinheitlichung der Lehrziele durch Aussprachen zwischen den Kursleitern anzustreben, damit Übertritte und Wiederholungen reibungslos möglich werden. – Auch methodisch ist ein Aufbau anzustreben: Wenn man ein bestimmtes Gebiet zum Hauptanliegen ausgewählt hat, so läßt sich etwa folgende Stufenleiter anstreben: anregender Einzelvortrag, systematische Vortragsreihe, aufbauender Informationskurs, Aussprachekreis, selbständige Arbeitsgemeinschaft. Die klare Vorstellung von diesem methodischen Aufbau, der unserem Bildungsziel entspricht, verhindert, daß wir bei der leichtesten Methode stecken bleiben. – Schließlich sei noch der menschlich-soziale Aufbau betont: die echte Gruppenbildung, die auch schon in der Arbeitsgemeinschaft festzustellen ist. Zur sachlichen Bindung tritt die menschliche unter den Teilnehmern und zwischen Teilnehmern und Leiter. Allerdings sind solche Gruppen auch kritisch zu verfolgen, denn sie entwickeln ihre Eigengesetzlichkeit, werden im negativen Fall zur „Clique“ und damit zu einem Fremdkörper in der Ganzheit der Volkshochschule. Bei einer Sachgruppe soll die Bindung zum Leiter nie so eng werden, daß darunter die Sache leidet; selbst Kontaktgruppen – wie z. B. für Jugendliche oder Ältere – sollen im Rahmen einer Volkshochschule immer ein Sach-, d. h. Bildungsziel haben. Die Ehrlichkeit verlangt von jeder Volkshochschule, daß sie den Charakter jeder Gruppe im Programm klar umschreibt; enttäuschte Erwartungen untergraben die Volkshochschule.

9. Der Erfolg einer Volkshochschule hängt von der fachlichen und charakterlichen Qualität ihrer Mitarbeiter ab. Diese Qualifikation spricht sich als Empfehlung schnell herum, noch schneller aber die mangelnde Eignung eines Kursleiters. Bei jedem Kurs steht daher schon im Programm der Name seines Leiters. Volkshochschulen, die nur den Kursinhalt ankündigen, verzichten auf eine wesentliche Werbung; es ist auch falsch, erst nach der Ankündigung auf die Suche nach einem passenden Kursleiter zu gehen! Der Grundsatz sollte sein: Kein Kurs, bevor wir nicht den richtigen Kursleiter haben; lieber warten! Hat sich das Vertrauen zu einem Kursleiter unter den Teilnehmern gefestigt, empfiehlt es sich, ihn für die Übernahme eines zweiten oder dritten Kurses, möglichst auch auf anderen ihm liegenden Gebieten, zu gewinnen. Ein Verzeichnis der Kursleiter im Kursprogramm, eventuell mit kurzer Charakterisierung, z. B. Angabe des Hauptberufes und besonderer Leistungen, erleichtert die Auffindung der von einem bestimmten Kursleiter gehaltenen Kurse.

10. Obwohl das Programm einer Volkshochschule grundsätzlich für alle geplant sein soll, dürfen wir nicht auf die in unserem Bereich existierenden festen Gruppen von Menschen vergessen. Schon bei der Kursankündigung vermerken wir, für welchen Kreis ein Kurs „im besonderen“ geeignet ist; wir versuchen auch, diesen Kreis durch spezielle Werbung auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. – Anderseits wenden sich oft geschlossene Gruppen an die Volkshochschule mit einem bereits vorformulierten Wunsch; paßt dieser in das Gesamtkonzept der Volkshochschule, wird er erfüllt. Aber der Leiter muß auch den Mut aufbringen, solche Wünsche abzulehnen, wenn sie nicht der Volkshochschule entsprechen. Derartige Sondergruppen dürfen nicht isoliert bleiben, denn die Volkshochschule will ein Ganzes sein und ein „gemeinsames Dach“ bieten; hat sich eine Volkshochschule zum System der Teilnehmerkarte entschlossen, die nicht bloß zum Besuch eines Kurses berechtigt, sondern weitere Vorteile bietet, werden die Mitglieder dieser Gruppen bewogen, diese Karte zu erwerben. Sie werden auch auf die weiteren Bildungsmöglichkeiten an der Volkshochschule aufmerksam gemacht. Bei der Betreuung von Sondergruppen ist darauf zu achten, daß sie in ihrer Summe der Volkshochschule nicht ein einseitiges Bild geben; dieses könnte viele freiwillige Einzelteilnehmer vom Besuch abhalten.

11. Ein Kursprogramm ist dem lnhalt nach und auf längere Frist geplant, es ist aber auch wendig genug, um aktuelle Fragen jederzeit einbauen zu können. Die Aktualität kann sich jahreszeitlich wiederholen: Obstbau im Spätherbst, wenn die Gartenbauer Zeit haben, oder Heizungsfragen vor Beginn der kalten Jahreszeit, Botanik im Frühling; ein Kalender der Jahresaktualitäten läßt sich aus dem lnhalt der Zeitungen gut ablesen. – Außerdem lassen sich die Aktualitäten inhaltlich gruppieren: Zeitgeschehen, örtliche Probleme, Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt, auf der Bühne, im Kinoprogramm, Errungenschaften der Wissenschaft und Technik. Hat man einen geeigneten Kursleiter gefunden, lassen sich um diese Themen Dauergruppen bilden: sie sind leicht zur Aussprache und Mitarbeit zu aktivieren, und außerdem können in ihr Programm leicht Einzelveranstaltungen eingebaut werden. Je mehr sich in der Interessentenschaft das Bewußtsein verankert, daß die Volkshochschule bereit und fähig ist, auf plötzlich auftauchende Fragen bildende und objektive Antwort zu geben, um so weniger fehlt es an Anregungen und um so zahlreicher und vertrauensvoller wird die Besucherschaft.

Sicherlich gibt es noch weitere Grundsätze und Erfahrungen für die Gestaltung eines volkshochschulgemäßen Arbeitsprogrammes. Eine laufende Ergänzung in diesem Rahmen wäre nur zu begrüßen.

 

(Wortwahl, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen dem Original. Die im Original durch Sperrung hervorgehobenen Wörter wurden kursiv gesetzt. Ausrücke in runden Klammern stehen auch im Original in runden Klammern. In eckigen Klammern steht die Zahl der jeweiligen Seite des Originaltextes.)

 

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