Die Lebensschule

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Author/Authoress:

Wiesinger, Leopold

Title: Die Lebensschule
Year: 1987
Source:

Knittler-Lux, Ursula (Hrsg.): Bildung bewegt. 100 Jahre Wiener Volksbildung (= Festschrift zur Ausstellung in der Volkshalle des Wiener Rathauses vom 4. bis 25. Oktober 1987), Wien 1987, S. 103-110.

Diese Kursform des Verbandes Wiener Volksbildung ist jüngeren Volksbildnern und Funktionären im Wiener Raum im besten Fall nur mehr vom Hörensagen bekannt. Wenn die Lebensschule auch heute keine Bedeutung mehr hat, so ist sie es doch wert, im Rahmen eines Sammelbandes zur Geschichte der Wiener Volksbildung der letzten 100 Jahre behandelt zu werden, weil sie nach dem Kriegsende 1945 der wohl bedeutendste Versuch war, neue Wege in der Wiener Erwachsenenbildung zu gehen. Das Thema wurde zwar schon einige Male in verschiedenen Publikationen abgehandelt, dennoch scheint mir eine neuerliche Darstellung schon deshalb nötig, weil manche dieser Veröffentlichungen nur mehr sehr umständlich zugänglich sind. Ich verweise im besonderen auf folgende Aufsätze zum Thema Lebensschule:

1. ÖGB-Bildungsfunktionär, 1954, H. 44; 1955, H. 47; 1956, H. 54.

2. Die Österreichische Volkshochschule, 1966, H. 21.

3. Wolfgang Speiser, Wiener Volksbildung nach 1945 (= Schriften zur ErwachsenenbiIdung, Bd. 23), Wien 1982.

4. Walter Göhring, Bildung in Freiheit, Wien-München-Zürich 1983.

Der stärkste Anstoß zur Einrichtung dieser neuen Kursform kam aus den Bildungsreferentenkonferenzen des ÖGB. Die Klage der Volkshochschulen, daß die Kursteilnehmer wenig Interesse zeigen, allgemeinbildende Kurse, wissenschaftliche Kurse, zu besuchen, war seit 1952 ständig Diskussionsstoff bei den Besprechungen der Bildungsreferenten des ÖGB. Es wurde ein Weg gesucht, die Neigung vieler Kursteilnehmer nach praktischen Kursen mit dem Hinführen zur Allgemeinbildung zu verbinden.

Das Wort "Lebenshilfe" war damals sehr modern. Lebenshilfe sollte es vor allem sein und Orientierungshilfe in einer Zeit, in der gerade erst die allerärgsten Spuren einer schrecklichen Vergangenheit beseitigt worden waren. Die neue Kursform sollte auch den Blick für die Welt öffnen. Viele Jahre waren die Menschen unseres Landes von der freien Welt getrennt. Der Faschismus mit seiner mörderischen Ideologie hat uns den Weg der geistigen und freien demokratischen Auseinandersetzung mit anderen Kulturen für viele Jahre versperrt. So war es ganz natürlich, daß viele Menschen nach Ende der Schreckensjahre wieder nach Orientierung suchten. Es galt also, auch diese Bedürfnisse zu befriedigen. Franz Senghofer, der damalige Leiter der ÖGB-Bildungsreferates, schrieb in der "Neuen Volksbildung", Heft 5, 1957, rückblickend über neue Wege in der Volksbildungsarbeit über diese Problematik unter anderem folgendes:

"Die enge Zusammenarbeit mit dem Zentralverband österreichischer Volkshochschulen und die sorgsame Beobachtung der soziologischen und psychologischen Situation des Menschen, insbesondere der Jugend in der Gesellschaftssituation der Gegenwart, durch das Bildungsreferat des Gewerkschaftsbundes, führte zur Entwicklung einer neuen, erfolgrei-[S. 103]chen Entwicklungsreform in den Gewerkschaften und in der Volksbildung: die Lebensschule. Die allgemeine Klage der Volkshochschulen über mangelndes Interesse der Menschen an geisteswisenschaftlichen Disziplinen und die gesellschaftliche Analyse führten zu dem Schluß, daß im Menschen der Gegenwart Antriebe zum nichtpraktischen, allgemeinbildenden Lernen weitgehend fehlen. Die Schaffung solcher Antriebe wird am besten von der Lebenssituation des einzelnen und von dem individuellen Wunsch nach der Lösung drückender Lebensprobleme ausgehen. Das war der Grundgedanke der Lebensschule. Lehrmäßig sind ihre Grundlagen alle wichtigen Wissens- und Lebensbereiche des Menschen, methodisch drängt sie das Dozieren weitgehend in den Hintergrund; sie baut auf die aktive Untersuchung der Lebensprobleme und der Wissensstoffe durch die Teilnehmer auf. Von den eigenen Problemen und Interessen führt dann ein fast gerader Weg zur Allgemeinbildung. Was vorher nicht gelang, zum eigentlichen Wunsch des Besuchers der Lebensschule: er will sich wesentliche Bereiche der Allgemeinbildung und der Kultur bewußt erarbeiten. Damit ist der Antrieb zur Selbstbildung über die Anknüpfung an Lebensinteressen geschaffen."

Aber nicht nur die Bildungsreferenten des ÖGB suchten nach neuen Wegen in der Volksbildung. Es wurde schon angemerkt, daß die Kursbesucher jener Zeit vornehmlich praktische Kurse besuchten, und eine Erforschung der Bildungsbedürfnisse der Wiener im Studienjahr 1952/53 hat ergeben, daß die Befragten in hohem Maße von den Volkshochschulen den Erwerb praktischer Kenntnisse erwarten. Es war deshalb [ sic!] auch unter den Kursleitern und bei den Direktoren der Wunsch nach mehr Allgemeinbildung immer stärker artikuliert worden. Die Anregung Franz Senghofers fiel auf fruchtbaren Boden. Die Zeit war reif für etwas grundlegend Neues. In seinem Beitrag in Walter Göhrings Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich nach 1945, "Bildung in Freiheit", schildert Senghofer mit wenigen Worten den Werdegang des neuen Schultyps Lebensschule sehr anschaulich:

"Als in den Aussprachen der Bildungsreferentenkonferenzen festgestellt wurde, daß man die Grundaufgabe der Volksbildung, Allgemeinbildung zu vermitteln, mit neuartigen Bedürfnissen der Menschen koppeln müsse, und dabei in den Jahren nach Faschismus und Krieg das Bedürfnis nach Lebensorientierung immer wieder betont wurde, ergab sich für mich die in die Diskussion geworfene konkrete Formel ,Allgemeinbildung mit Lebenshilfe’. Damit war die Basis festgestellt. Die Diskussion ging dann um die Frage, ob man diesen neuen Kurstypus Lebensschule nennen sollte; Einwände gegen den Begriff Schule, demgegenüber die Auffassung, daß labile Menschen, die Lebenshilfe suchen, gerade die Benennung Schule vertrauensvoll akzeptieren würden. Also wurde schließlich mein Vorschlag angenommen, ihn Lebensschule zu benennen." Die Ausarbeitung des Gesamtplanes der Lebensschule lag dann, zwar in Gemeinschaftsarbeit, aber primär bei Dr. Hermann Schnell.

Unter der Leitung von Dr. Hermann Schnell und Prof. Speiser hat ein pädagogisches Komitee einen Lehrplan ausgearbeitet. Mitarbeiter in diesem Komitee waren unter anderen Dr. Helmut Zilk, Dr. Karl Foltinek, Dr. Hans Fellinger, Anton Kriegler, Ludwig Boyer, Hugo Pepper. Später kamen noch einige qualifizierte Lehrer, meist Hauptschullehrer, und Karl Hochwarter hinzu. Ich entsinne mich noch genau, wie wir in einem Seminar im Haus Rief in langen Gesprächen die Gestaltungsprinzipien für die Lebensschule erarbeiteten. Was war denn nun eigentlich anders? Wodurch unterschieden sich die Volkshochschulkurse von der Lebensschule?

1. Die Arbeit in der Lebensschule stellte ohne Zweifel höhere Anforderungen an die Kursleiter. Sie mußten nicht nur den Bildungsstoff auswählen und aufbereiten - das galt ja für jeden Kursleiter - sondern sie mußten sehr stark in sozialen Bereichen tätig werden; denn es war eine der wesentlichen Aufgaben der Lebensschule, den sozialen Kontakt unter den Hörern zu fördern, eine Gemeinschaft aufzubauen und so den selbständigen [S. 104] Bildungserwerb anzubahnen. Wie stark gerade dieser Aufgabenbereich der Kursleiter in den Lebensschulen wirksam geworden ist, zeigt der Umstand, daß nach Ablauf der Lebensschule etliche Klubs für Absolventen der Lebensschule entstanden, weil die Kursteilnehmer nicht auseinander gehen wollten.

2. Die Kursleiter mußten das Bildungsgut nicht nur für die Kursabende auswählen, sondern sie hatten auch ein umfangreiches Programm für Exkursionen, Theater- und Konzertbesuche, Ausstellungsbesuche, Museumsbesuche und für Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung von Wien zusammenzustellen, wobei angemerkt werden muß, daß all diese Tätigkeiten zusammen mit den Kursteilnehmern geplant wurden.

3. Die Lebensschule umfaßte 6 Semester, alle anderen Kurse der Volkshochschulen waren viel kürzer.

4. Der Lehrplan bezog sich nicht auf ein bestimmtes Fachgebiet, sondern es sollte ein Weltbild erarbeitet werden, das, von der engeren Heimat Wien ausgehend, über Österreich, Europa und die Welt einen umfassenden Kulturblick ermöglichen sollte. Es wurden deshalb verschiedene Wissensgebiete behandelt und in Konzentrationsfeldern erarbeitet. Im 1. Semester wurde Wien behandelt, im 2. Semester Österreich, im 3. Semester Europa, im 4. Semester die Welt und im 5. und 6. Semester sollte die Zusammenschau der verschiedenen Wissensgebiete in einem Weltbild münden, in dem der Mensch im Mittelpunkt aller gesellschaftlichen Abläufe stellt. Die Arbeit mit den Kursteilnehmern sollte schließlich deren Elementarbildung absichern und sie zu selbständiger Weiterführung ihrer Bildung befähigen. Die Lebensschule sollte aber auch zum kritischen Denken anleiten, wir würden heute sagen, den mündigen Menschen heranbilden. [S. 105]

Das Programm war sehr anspruchsvoll und in seiner Gesamtheit kaum erfüllbar. Man mußte den Mut zur Lücke haben, denn wichtiger war es, auf die Wünsche der Kursteilnehmer einzugehen. Oft und oft hat sich eine Debatte entsponnen, die in eine ganz andere Richtung führte als vorgeplant war, so daß für uns Kursleiter der Lehrplan wohl ein Rahmen, ein Gerüst war, das aber genug Spielraum für Hörerwünsche zuließ. Von besonderer Bedeutung waren die vielen Besuche zur Unterstützung und Vertiefung des Bildungsgutes, das an den Kursabenden erarbeitet wurde. Die dabei geschlossenen sozialen Kontakte haben oft lange Freundschaften besiegelt und in manchen Fällen bis zur Eheschließung geführt. Die nachfolgende Skizze hat Dr. Helmut Zilk entworfen. Sie zeigt im Überblick, was den Kursteilnehmern angeboten wurde.

5. Die Arbeitsweise unterschied sich wesentlich von den anderen Volkshochschulkursen. Zweimal jede Woche trafen die Kursteilnehmer zu einer Doppelstunde zusammen, und fast alle Wochenenden wurden für zusätzliche Veranstaltungen genützt. Es waren immer zwei Lehrer anwesend, einer vertrat die Geisteswissenschaften, der andere die Naturwissenschaften. Einer der beiden Lehrer war auch Tutor, der sich vor allem mit Hörerproblemen befaßte und verschiedene Arbeitsbehelfe bereitstellte, die Veranstaltungen außer Haus organisierte und für alle möglichen Wünsche der Kursteilnehmer bereitstand. Sehr bald gelang es, zur Entlastung des Tutors interessierte Kursteilnehmer zu aktivieren, die in verschiedenen Bereichen [S. 106] für den Kurs wirksam wurden. Eine wichtige Arbeit war die von Kursbesuchern übernommene Protokollführung über den Verlauf eines Kursabends. Die Protokolle halfen immer wieder, Verständnisschwierigkeiten zu überwinden, Lücken auszumerzen und Anregungen für die Weiterarbeit zu gewinnen. Besonders stark verbanden die Kursteilnehmer verschiedene festliche Anlässe wie Geburtstage, Weihnachten und der Fasching.

Die finanzielle Belastung für den Verband Wiener Volksbildung war nicht gering, waren doch zwei Kursleiter mit zahlreichen Wochenendstunden zu honorieren, dazu noch Gastreferenten und verschiedene Lehrbehelfe. Trotzdem gab es nur Zustimmung, und hätte das Interesse etwa um die Mitte der sechziger Jahre nicht nachgelassen, weil offenbar der Bedarf erfüllt war, so würde diese Einrichtung auch heute noch ihre Wirkung, sicher in abgewandelter Form, ausüben.

Nach dem ersten Studienjahr schrieb Wolfgang Speiser im Jahresbericht des Verbandes Wiener Volksbildung 1954/55 über das Experiment folgendes: "Dem Bestreben der Wiener Volksbildung, in neuer Form die intensive und mehrjährige Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragen durch Laien wieder aufleben zu lassen und gleichzeitig gerade jenen Menschen, die im späteren Leben oder im Anschluß an die Elementarschule das Bedürfnis nach dem Erwerb einer höheren Allgemeinbildung empfinden, einen Weg zu weisen, entsprangen die im Studienjahr zunächst in mehreren Arbeiterbezirken (Margareten, Favoriten, Ottakring, Döbling, Floridsdorf) begonnenen Lebensschulen. In je zwei Doppelstunden in der Woche sollte im "Ganzheitsunterricht" eine Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus in allen möglichen wissenschaftlichen Fächern, aber auch in Rechtschreibung, rechnerischem Ausdruck, Rechnen und Technik der geistigen Arbeit, erreicht werden. Es wurde in freier Aussprache, aber auch mit schriftlichen Übungen der Hörer, gearbeitet. Jeder Lebensschule stehen die notwendigen Bücher und Nachschlagwerke sowie andere Lehrbehelfe auf Kosten des Verbandes zur Verfügung. Die Lebensschulen wurden in möglichst geeigneten Gruppenräumen durchgeführt.

Die Leitung der Lebensschule war ausschließlich besonders qualifizierten Lehrern - zumeist Hauptschullehrern über Vorschlag des pädagogischen Institutes des Stadtschulrates für Wien - vorbehalten, die in Konferenzen und im 2. Semester durch Hospitation auf ihre schwierige Aufgabe vorbereitet wurden. Besonders die Lehrer der drei ersten Lebensschulen in Favoriten, Ottakring und in der Jugendgruppe des Österreichischen Gewerkschaftbundes waren pädagogisch besondere Begabungen -unresolved-, die durch ihre aufopfernde Tätigkeit eine wirkliche Pionierleistung für die Wiener Volksbildung vollbracht haben: In der Jugendgruppe des ÖGB waren Ludwig Boyer und Hugo Pepper tätig, in Favoriten Dir. Anton Kriegler und Dr. Karl Foltinek und in Ottakring Dr. Helmut Zilk und Dr. Hans Fellinger.

Der Erfolg der ersten Lebensschulen war ganz außergewöhnlich. Es gab fast keinen Hörerabfall, rege Mitarbeit in Wort und Schrift, und die Teilnehmerschaft setzte sich schon infolge der Werbung durch den Österreichischen Gewerkschaftsbund bis zu 70% aus Handarbeitern zusammen. Das Experiment der ersten Lebensschulen hat gezeigt, daß es trotz der sicherlich bestehenden Abneigung gegen systematische Selbstarbeit, schwierige Lektüre und schriftliche Arbeiten in Kursen auch heute in Wien möglich ist, das zu erreichen, was die Engländer als höchstes Ziel ihrer dreijährigen Tutorial Classes aufgestellt haben. Es bedarf dazu allerdings besonderer Lehrer, einer lebensnahen Methodik und erhöhter Sorgfalt bei der Durchführung solcher Kurse."

Am 27. September 1954 begannen die ersten drei Lebensschulen ihre Tätigkeit. Wegen der begrenzten Teilnehmerzahl mußten viele Bewerber zurückgestellt werden, bis im Sommersemester 1955 ab 14. Februar fünf neue Lebensschulen eröffnet wurden, und zwar in Margareten, Kursleiter Dr. Heinz Tögl, in Favoriten, Kursleiter Dr. Alfons Kozeluh und Dir. [S. 107] Anton Kriegler, in Ottakring, Kursleiter Dr. Helmut Zilk und Dr. Hans Fellinger, in Döbling, Kursleiter Dr. Felix Stark, Bruno Nußbichler und Dr. Irimbert Ganser, in Floridsdorf, Kursleiter Leopold Wech und Leopold Wiesinger.

Im Studienjahr 1954/55 begannen also im Verband Wiener Volksbildung 7 Lebensschulen (eine in Marg- gareten, zwei in Favoriten, zwei in Ottakring, eine in Döbling und eine in Floridsdorf) ihre Tätigkeit, wobei angemerkt werden soll, daß die Kursleiter Dr. Anton Kriegler, Dr. Helmut Zilk und Dr. Hans Fellinger an vier Abenden jede Woche tätig waren. Im folgenden Studienjahr 1955/56 kamen vier neue Lebensschulen hinzu (zwei in Margareten, eine in Ottakring und eine in Floridsdorf).

Am Ende des 2. Studienjahres gab es in Wien 11 Lebensschulen, damit war noch nicht der Höhepunkt erreicht. Dieser erfolgte im Studienjahr 1961/62 mit 13 Lebensschulen und 3 Klubs für Lebensschulabsolventen.

Diese stürmische Entwicklung wir jedoch nicht von Dauer, vor allem erreichten nicht alle Lebensschulkurse ihr Ziel, nämlich 6 Semester beisammen zu bleiben. Vom Studienjahr 1954/55 bis zum Studienjahr 1969/70, dem letzten, in dem Lebensschulkurse stattfanden, wurden insgesamt 96 Kurse im Kursprogramm des Verbandes Wiener Volksbildung ausgeschrieben. Davon kamen 30 nicht zustande. Von den 66 begonnenen Kursen erreichten nur 16 Kurse 6 Semester, 6 wurden mit 5 Semestern abgeschlossen und bei 19 Kursen war der Abschluß nach 4 Semestern. Nach 3 Semestern [S. 108] hörten 12 Kurse auf und 13 Kurse hielten nur für 2 Semester zusammen. Es haben also nur 24% aller Kurse 6 Semester und 9% 5 Semester erreicht. Für viele Hörer war ganz offenbar ein dreijähriger Kurs mit 4 Wochenstunden und vielen Wochenenden eine Überforderung.

Aber auch für die meisten Kursleiter war die Anstrengung groß, standen sie doch alle im Lehrberuf, und manche von ihnen waren noch in anderen Bereichen tätig so daß allmählich eine Ermüdung eintrat, die schließlich zum Stillstand führte. Den Hauptgrund für das Auslaufen der Lebensschulkurse muß man wohl darin sehen, daß einfach der Bedarf gedeckt war. Die Lebensverhältnisse verbesserten sich, die Ausbildungsmöglichkeiten hatten zugenommen und ein gewisser Nachholbedarf war befriedigt worden. In den 66 Lebensschulkursen waren insgesamt 67 Kursleiter tätig, besonders lange die Kursleiter Trojanek und Dr. Holzwarth. Sie brachten es auf je 25 Semester, Heindl und Leitgeb auf je 23 und Prof. Kozeluh auf 22 Semester. Mehr als zwei Drittel aller Kursleiter waren jedoch höchstens 10 Semester im Einsatz. Von besonderer Art war die Werbung in den Kursprogrammen, wie das folgende Beispiel vom Beginn der Kurse 1954/55 zeigt!

Ein abschließendes Wort noch über die Kurse für ältere Menschen. Sie waren besonders in der Urania (durch 9 Jahre) und in Ottakring (durch 16 Jahre) sehr beliebt! Aber auch die Klubs (Margareten, Alsergrund, Favoriten, Meidling, Hietzing, Ottakring - hier 13 Jahre lang - Brigittenau und Floridsdorf) für Lebensschulabsolventen wurden gerne besucht. Im Studienjahr 1970/71 wurde eine neue Form der länger dauernden Kurse [S. 109] geboren. Die "alte" Lebensschule hatte ausgedient wie die Ankündigung aus dem Kursprogramm zeigt:

Der Verband Wiener Volksbildung bringt den neuen Lehrgang für Höhere Bildung - eine Lebensschule neuen Stils.

Der ständige Zuwachs und die Veränderungen des Wissens bewirken in immer rascherem Tempo auch einen entsprechenden Wandel der technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen und Strukturen. Der Fortschritt der Wissenschaft führt zu einer völligen Umgestaltung der bisherigen Berufsanforderungen in allen Schichten der Gesellschaft. Man muß heute mehr wissen und ständig weiterlernen, um Schritt halten zu können.

Wollen Sie Ihre berufliche Stellung verbessern? - Sie finden bei uns die Gelegenheit dafür!

Mit der Führung dieses Bildungslehrganges soll eine Einrichtung geschaffen werden, die den erforderlichen WeiterbiIdungsprozeß vollzieht. Dieser Lehrgang bietet für zwei Studienjahre (sechs Trimester) ein systematiisch gegliedertes Kursprogramm mit einer Themenkombination über verschiedene Fachgebiete an. Der gesamte Lehrstoff ist in Unterrichtsblöcken zusammengefaßt.

* Grundlegende Fächer mit den Lehrgegenständen Studientechnik (wie man lernt), Deutsch und Mathematik (Mengenlehre)

* Praktische Lebenskunde mit Psychologie, Pädagogik und Philosophie

* Sozial- und Wirtschaftskunde mit Geschichte, Politologie, Rechtskunde, Soziologie und Wirtschaftskunde

* Naturwissenschaften mit Biologie, Physik und Chemie

In zwei Studienjahren - Ende September bis Anfang Juni - werden Sie an zwei Wochentagen je drei Lektionen mit und gemeinsam lernen; einmal im Monat wird es an Samstagen eine kulturelle Veranstaltung geben. Ein Studienleiter und ein Kursleiter des speziellen Fachgebietes stehen Ihnen ständig zur Verfügung; für die Studienarbeit werden moderne Unterrichtshilfen (audio-visuelle Lehrmittel und schriftliche Unterlagen) eingesetzt.

Ganz sicher hat die Lebensschule bewirkt, daß dem 2. Bildungsweg in der Wiener Volksbildung mehr Raum gegeben wurde, und sie hat auch ganz sicher für viele Menschen reiferen Alters eine gute Orientierungshilfe geboten.

(Wortwahl, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen dem Original. Die im Original durch Sperrung hervorgehobenen Wörter wurden kursiv gesetzt. In eckiger Klammer steht die Zahl der jeweiligen Seite des Originaltextes. Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt.)

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